Release Candidate

( Nur kur, damit jemand den Witz versteh: mein letzter Eintrag hieß Beta. Jetzt kommt der Release Candidate. Googelt doch einfach schnell Entwicklungsstaiden von Software)

Tadaaaa. 13.3.1025….. die aller letzte Bestrahlung. 2 Jahre. 2 Jahre überstanden. Prognose wird plötzlich besser. Leben wird immer therapieloser. Das Leben wird immer zwiespältiger.

Das ganze ist jetzt ja schon fast nicht mehr wahr. Fast. Nur dann nicht, wenn ich in den Spiegel schaue, oder an mir herunter. Nur dann nicht, wenn ich Morgens keinen BH anziehe, wenn ich unter der Dusche keine Brüste wasche, ich meine neuen blonden lockigen Haare wasche, sie „frisiere“. Wenn ich beim Sex keine Brüste habe. Wenn ich einem neuen Partner erzählen muss, dass ich keine Brüte habe. Nur dann nicht, wenn ich meine alten Fotos ansehe, an früher denke, an die Zeit, als ich keine Tabletten nahm, als ich nichts wusste. Nur dann nicht, wenn alle meine Lieben durchdrehen, weil ich mal länger als eine Woche huste. Nur dann nicht, wenn ich mich mit früher vergleiche. Nur dann nicht, wenn ich an das denke, was passiert ist. Nur dann nicht, wenn ich mal wieder beim Arzt bin…. Scheiße.

Und. Das ist ok. Ich wär ja auch nicht so, wie ich bin, wenn das alles nicht passiert wäre. Aber es ist passiert. Man kann das irgendwie niemandem vermitteln, dass manche Sachen nicht aufhören, wenn sie aufhören. Ja, es schreibt sich sogar schon unlogisch. Aber es holt mich immer wieder ein. Und je normaler die Dinge werden, umso schwerer wird es. Wem sagt man es? Keinem? Sagt sich so einfach. Ich hab einfach noch Defizite. Ich kann nicht immer so wie normal. Meistens. Aber wenn nicht, will ich keine Notlügen erfinden. „Ich kann heute Abend einfach nicht mehr. Ich hab solche Knochenschmerzen von meinen Medikamenten. Ich möchte nicht noch ewig in einem Club stehen.“ „Medikamente? Was? Wieso?“ Normale Fragen, die ich auch stellen würde. Aber möchte ich sie beantworten? Meine Krebshemmschwelle ist enorm. Erstens möchte ich nicht, dass Leute denken, ich würde das als Entschuldigung vorschieben. Was ich (meiner Meinung nach) absolut vermeide. Ich WILL alles normal machen. Ich WILL normal sein. Und zweitens, weiß doch keiner wirklich, wie er damit umgehen soll. Vor allem nicht in meinem Alter. „Ich hatte Brutkrebs“ klingt schon scheiße. „Ich hatte Brustkrebs mit 22“ klingt noch dümmer. Was? Wie das? Was hast du denn falsch gemacht, dass du so früh krank geworden bist? Selbst von Frauen, die selbst erkrankt waren. Würde mir vielleicht auch so gehen. Und das möchte ich den Leuten ersparen. Manchmal fühle ich mich fast so, als müsste ich mich entschuldigen… Ganz komisch: Einerseits fühle ich mich total Stark, weil ich mit jeder Sekunde, in der ich Atme, den Tod besiegt habe. Andererseits fühle ich mich echt geil, weil es schon toll ist sagen zu können, man hätte eine Hochdosischemo durchgezogen. Das hat sowas starkes. Andererseits ist es irgendwie unangenehm… Viele haben ein ganz gefährliches Halbwissen, was dieses Thema angeht. Ich habe Angst, vor schlauen Tips („Hast du mal Himbeeren probiert“; „Chemo? Tötet doch eh nur“). Und solche Scheiße möchte ich einfach nicht nochmal hören…Ich habe Angst davor, dass mich Leute anders sehen. Obwohl das, was sie sehen, das ist, was sich aus meiner Geschichte entwickelt hat. Ich hab Angst, vor mir selbst.

Da kam irgendwie sowas ganz komisches raus… überhaupt nicht Kompromissbereit. So wie die Krankheit: Leben oder Tod. Schwarz oder Weiß. Ja oder nein. Extrem. Ich gebe mir nicht mehr jeden Scheiß. Ich mach es nicht mehr jedem recht. Vieles geht mir am Arsch vorbei. Wirklich! Aber was mir wichtig ist, ist mir wirklich wichtig. Zeit ist begrenzt. Ich will keine Minute mehr verschwenden. Der Joghurt ist abgelaufen… er kann jeden Moment kippen. Jeden Moment. Tick Tack. Tick Tack. Ich höre das Ticken. Immer. Vor allem nachts. Nachts tickt es. Nachts pocht es. Sterben. Wir werden sterben. Ich werde sterben. Und Tod kann unschön sein. Tod kann Leid bedeuten, nicht nur einfach einschlafen, Ich habe genug geliebte Menschen durch die Krankheit gefunden und verloren. Tick Tack. Tick. Nachsorge = Krebssuche. Tick Tack. Prognose. Tick Tack. Mit der Zeit vermehren sich Zellen, Tick…

Ich muss abwarten. Ich muss weiter machen. Weiter leben. Weiter lieben. Weiter lachen. Weiter. Weiter ist mehr. Mehr Leben! Mehr Lachen! Mehr Schmecken! Ich will das Leben einfach spüren. Ich will lebendig sein. Erinnerungen Sammeln. Erinnerungen, nicht Dinge. Setz dich zu mir. Lach mit mir. Du bist viel mehr Wert als das neue Handy. Das ist in einem Jahr doch eh wieder alt… Aber du bleibst. Klingt komisch, oder? Lass UNS Leben. Solange wir es gemeinsam können. Dann hast du Dinge von mir in deinem Kopf und ich Dinge von dir. Und egal, wer zuerst geht: diese Dinge bleiben!

Die Gesellschaft ist nicht bereit für mich? Kein problem. Ich werd ihr das schon beibringen. Ich werde das machen, was ich möchte. Ich werde gleichzeitig so abnormal verrückt und reif sein, wie man es sich nur vorstellen kann. Ich weiß was ich will. Ich weiß was ich kann. Ich weiß was ich war. Ich weiß was ich bin. Seit bereit. Es wird eine Herausforderung…. Für euch 😉

 

(Man sieht mich jetzt als Silhouette gen Sonnenuntergang galoppieren. Blende setzt ein. Fortsetzung folgt….)