Charlie the Unicorn goes to Candy Mountain

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Ich hasse es rumzujammern. Aber ich wollte ehrlich mit mir selbst sein in diesem Blog. Und ehrlich gesagt ist mir heute alles eine Schippe zu viel.

Das ganze liegt heute wie ein riesengroßer, unüberwindbarer Berg vor mir. Mein persönlicher Mount Everest, die Eiger Nordwand und der Caminito del Rey zusammen. (Der Caminito del Rey, oder auch el Chorro, ist der gefährlichste Klettersteig der Welt). Den Vergleich mit dem Klettern finde ich gut. Es gibt nur ein Ziel: der Gipfel. Keine Alternative. Wenn ich loslasse, stürze ich ab und sterbe. Jeder Zug nach oben verlangt meine ganze Kraft. Und gerade, da ist dieser „Chemoberg“ echt kräftezehrend  genug, trotzdem ist jeden Tag noch was anderes: noch eine neue Nebenwirkung, noch ein Termin bei irgendeinem Arzt, noch eine Untersuchung und die Menschheit verhält sich manchmal auch sehr fragwürdig. Das Zeugs hängt dann als zusätzlicher Ballast noch an einem dran.

Ich hab mal gehört, wenn einem das, was vor einem liegt, zu groß erscheint, dann soll man zurückschauen, was man bereits geschafft hat. Hmm… wenn ich darüber nachdenke, war das schwerste die Diagnose. Ich überlege ganz oft, wie ich den Tag hinter mich gebracht hab. Man stellt sich das so schlimm vor: der Moment, in dem man erfährt, dass man eine lebensbedrohliche Krankheit hat. KREBS. Das löst in einem so eine Angst aus, obwohl man meistens nicht mal genau weiß, was das ist. Man weiß nur, dass es etwas schlimmes ist. Etwas „was da ganz und gar nicht hingehört“. Das unbekannte Tiefseemonster: keiner weiß, wie es aussieht, wie groß es ist und was es ist. Aber man will es nicht gerade bei sich in der Badewanne sitzen haben. Vielleicht ist das jetzt für einige enttäuschend, für manche vielleicht beruhigend: im ersten Moment, da ist man mit dieser Aussage so überfordert, dass nicht viel Platz für Ausrufe des Schmerzes, schicksalsträchtige Ansprachen auf die Ungerechtigkeit der Welt oder emotionale Ausbrüche ist. Ich war einfach nur überfordert und konnte das Ausmaß von dem, was da auf mich zukommt, nicht abschätzen. Darüber bin ich so froh! Erstmal die Tatsache verdauen und dann über die Einzelheiten klar werden ist die bessere Alternative denke ich (falls es die gibt). Dass ich eine Chemotherapie brauchen werde, wurde mir gleich gesagt. Was aber alles zu einer Chemo gehört (Chemoport legen, Chemoport spülen, allgemein dieser dumme Chemoport, 1000 Medikamente, Blutabnahmen, Spritzen, Arztbesuche, Schlafstörungen, rotes Pipi, Nebenwirkungen,…), das merk ich erst jetzt so richtig. Ist auch noch früh genug. Jedenfalls habe ich danach noch einen Kaffee mit meiner Mutter getrunken. Wir wollten nicht nach Hause.

Und der Tag ging vorbei.

Egal wie schlimm ein Tag ist, er geht immer vorbei. Und das ist so unendlich beruhigend. Denn ein neuer Tag, der hat immer etwas tröstendes. Zu behaupten, „ein neuer Tag ist immer besser“ ist totaler Blödsinn. Schlimmer geht immer! Aber wenigstens gehts immer vorüber. Das hab ich aus dem Tag gelernt: ich kann jeden Tag überstehen, egal, was passiert. Ich muss keine Angst haben, dass es einmal nicht weitergeht. Die Zeit regelt viel für uns.

Und die Zeit wird es auch regeln, dass ich irgendwann den letzten Zug meiner Klettertour mache und oben am Gipfel angekommen bin. Mit festem, sicheren Boden unter den Füßen und viel frischer Luft zum durchatmen.

Ich bin mir sicher, die Aussicht von dort oben, die wird unvergleichlich schön sein. Die Aussicht auf das Leben, das vor mir liegt  🙂

 

4 Gedanken zu “Charlie the Unicorn goes to Candy Mountain

  1. Ja mein Schätzchen,

    die Luft wird frisch und klar sein. Die Sonne warm scheinen und wenn du zurück blickst wirst du unendlich stolz auf dich sein weil du deinen persönlichen Mount Everest bezwungen hast.

    Küsschen von deiner Mama

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  2. Liebe Maxi, das wunderbare ist, dass wirklich jeder Tag neu beginnt. Wenn der Tag beginnt ist er noch ganz frisch und neu! Jeder neue Tag möchte begrüsst werden. Die Welt des Sonnenaufgangs öffnet immer wieder einen Kanal im eigenen Bewusstsein, durch den Erneuerung, Friede, Harmonie, Kreativität, Liebe und Ganzheit auf die Welt zu den Menschen kommen kann. Wenn der neue Tag immer wieder begrüsst wird kommen Gefühle von Harmonie, Liebe und Frieden. Die Kraft für die vielen kleine Schritte kommt immer neu und Du gehst weiter Deinem Ziel entgegen. Du wirst es auch erreichen. Bleib weiter so mutig und tapfer. Herzensgrüsse Roswitha

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  3. Liebe Maxi, bin heute auf deinen Blog gestoßen 🙂 Lese mich bisschen durch die älteren Einträge durch.
    Ich bin 35 und seit einem Jahr in Remission. Es war „nur“ Hodgkin Lymphom im Stadium 2, schön rechtzeitig entdeckt, obwohl ich wenig Symptome hatte. Seltsamerweise war der Tag, an dem ich die Diagnose bekam, nicht so schlimm. Mein lieber Hausarzt kam an einem Samstag zu uns nach Hause, die Ankündigung davon am Freitag zuvor hat mir bereits zum Verstehen gegeben, ist nicht gerade ein Infekt oder so. Aber ich bin Mama eines damals 2,5 Jahre alten Jungen und mein erster Gedanke war: ok, Krebs, was muss ich tun, um es loszuwerden, damit mein Sohn noch ganz lange was von mir hat. Ich habe nur einmal kurz geweint, mich dann zusammen gerissen und weiter gelebt.
    Der blöde Port hat mich monatelang so gestört, aber heute gehört er irgendwie dazu und ich zögere ihn rausnehmen zu lassen 🙂 Mein Sohnemann streichelt manchmal drüber, ganz süß.

    Zwei Momente, an denen ich nahezu keinen Kampfgeist hatte:
    1. Stunden nach der letzten Chemo, schon zuhause, hatte ich extreme Übelkeit, so stark war sie vorher nie. Mein Mann brachte mich zurück in die Tagesklinik und die Ärztin wollte mich zurück im Sessel haben und bisschen Flüssigkeit per Infusion reinlaufen lassen. Ich bin in Tränen ausgebrochen und konnte mich nicht dahin setzen. Es war so „ich hab es doch hinter mir, ich muss doch nie wieder in dem Sessel sitzen“. Es ging einfach nicht! Sie gaben mir etwas Medikation per Spritze und ließen mich wieder heim.
    2. paar Wochen nach der letzten Chemo und vor der Bestrahlung: plötzlich war da dieser Gedanke „und was ist, wenn das alles überhaupt nix gebracht hat? Was ist wenn ich doch sterben muss?“ Völliger Unsinn, ich hatte ja sehr gute Heilungschancen von Beginn an, aber da stieg einfach Panik hoch. Ich habe geheult, dann war es vorbei.
    Während der Behandlung habe ich meinen kleinen Beautyblog aufrecht erhalten, über die Krankheit wollte ich nicht schreiben, da habe ich soviel Respekt vor dir! Ich habe Belangloses gebraucht 🙂

    Nervös vor Nachsorgeterminen und PET CT bin ich immer noch. Aber es verblasst.

    Alles alles Gute dir!

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    • Ich glaube bei Krebs gibt es kein „nur“. Du musstest die Therapie überstehen und das mit deinem kleinen Sonnenschein an der Seite.
      Diese Momente, in denen man keine Sonne sieht, die kommen ganz willkürlich. Wenn ich diesen Post jetzt lese, dann kann ich nur still lächeln. Richtig ans Eingemachte ging es erst viel viel später. Das war eigentlich noch die Chemolightversion. Das hilft mir aber jetzt oft. Ich hab schon oft gedacht, dass ich das jetzt nicht packe. Dann hab ochs doch geschafft, es wurde noch schlimmer, ich hab das selbe gedacht und tadaa… auch das ging vorbei. Also was lerne ich daraus? Schlimmer geht immer und geht nicht gibts nicht. Irgendwie packt man das schon. Was will man denn sonst tun? Ein anderes Leben kriegt man nicht.

      Es hilft mir, das alles zu verarbeiten, wenn ich hier schreibe. Dann kann ich es besser loslassen. Aber Belangloses brauche ich auch 😉 Vor allem beim TV-Program gilt: je seichter, umso besser!

      Ich wünsche dir und deiner Familie alles Gute und dass alle Nachsorgetermine total ergebnislos bleiben!

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